Fetalchirurgie
Die fetale Chirurgie umfasst eine Reihe von Verfahren, die am Fetus bzw. an der Plazenta durchgeführt werden. Das Ziel ist es den natürlichen Verlauf der Krankheit zu verändern, sodass Folgeschäden oder der Tod des Fetus / der Zwillingsfeten verhindert werden können.
Da die offene fetale Chirurgie wegen der Eröffnung des Uterus und der fetalen Exposition ein hohes materno-fetales Risiko darstellt, werden die relativ neuen Techniken der minimal invasiven Fetalchirurgie bevorzugt. Dafür sind lediglich das Einführen einer Nadel bzw. eines Fetoskops durch eine kleine Inzision von ca. 3 mm Durchmesser nötig.
Die Behandlung mittels Laserkoagulation der plazentaren Gefäßanastomosen bei feto-fetalem Transfusionssyndrom bzw. Nabelschnurokklusion bei diskordanten Malformationen gehören heute zur Standardtherapie der Komplikationen von monochorialen Zwillingsschwangerschaften.
Ausreichende Erfahrung in der Fetalchirurgie gibt es ebenfalls mit fetoskopischer endotrachealer Ballonokklusion im Falle einer Zwerchfellhernie, Thoraxshunts und mit Harnblasenshunts.
Obwohl einige Eingriffe noch nicht etabliert sind, zeigen aktuellen Daten, dass sie vielversprechende Techniken auf dem Gebiet der fetalen Therapie sind; darunter fetale Zystoskopie mit Laserkoagulation der posterioren Urethralklappen und intrauterine Aortenvalvuloplastie.
Die Perinatalmedizin in der Frauenklinik ist die erste Abteilung in Süd-Deutschland, die mit dem entsprechenden ausgebildeten Personal alle o.g. Techniken der minimal invasiven fetalen Chirurgie anbieten kann.
Weitere Informationen über die einzelnen Eingriffe in unserer Klinik:
Was ist ein feto-fetales Transfusionssyndrom?
Das feto-fetale Transfusionssyndrom ist eine schwere Komplikation, die in 10-15% der eineiigen Zwillingsschwangerschaften vorliegt. Durch verbindende Blutgefäße in der gemeinsamen Plazenta (Mutterkuchen) überträgt ein Zwilling (der Donor) Blut zum Anderen (der Akzeptor). Das bedeutet, dass die Plazenta ursächlich hierfür ist.
Was sind die Folgen des feto-fetalen Transfusionssyndroms?
Der Donor bleibt unterversorgt, was zu Nierenunterfunktion, geringer Urinausscheidung und niedriger Fruchtwassermenge führt. Auf der anderen Seite bekommt der Akzeptor viel Blut. Dies kann zum Herzversagen führen. Außerdem sind die Urinausscheidung und die Fruchtwassermenge sehr hoch, wodurch das Risiko für vorzeitigen Blasensprung, Fehlgeburt oder Frühgeburt steigt.
Bei unbehandelten Patientinnen ist die Prognose für beide Zwillinge extrem schlecht mit einer hohen Sterblichkeit in der Gebärmutter (80-100%) bzw. schwere Komplikationen nach der Geburt und Langzeitfolgen der Überlebenden.
Wie kann man das feto-fetale Transfusionssyndrom erkennen?
Es wird durch eine Ultraschalluntersuchung erkannt. Der Donor hat zu wenig Fruchtwasser (Oligohydramnie) und eine kleine Harnblase. Im Gegensatz dazu zeigen sich beim Akzeptor zu viel Fruchtwasser (Polyhydramnie) und eine große Harnblase.
Manchmal gibt es einen Unterschied des Wachstums der Zwillinge, wobei der Akzeptor größer als der Donor ist.
Was können wir Ihnen anbieten?
Die Therapie der Wahl ist die Lasertherapie. Durch ein dünnes Fetoskop (ca. 3 mm Durchmesser) erhält man direkten Einblick in die Plazenta. Die identifizierten verbindenden Blutgefäße werden mittels Laserverödung unterbrochen. Hiermit wird die Blutumverteilung zwischen Donor und Rezeptor gestoppt. Durch diesen Eingriff verbessern sich deutlich die Überlebenschancen beider Zwillingen (Überleben von mindestens einem der Zwillinge in 85-90% der Fälle).
Was sind diskordante Zwillingsschwangerschaften?
In seltenen Fällen (1%) ist einer der eineiigen Zwillinge von Fehlbildungen betroffen, die nicht mit dem Leben nach der Geburt vereinbar sind. Ein Beispiel dafür ist der sogenannte Fetus acranius acardius, bei dem es sich um einen Fetus ohne Entwicklung des Kopfes und des Herzens handelt.
Noch seltener liegt eine Veränderung am Erbgut bei nur einem der eineiigen Zwillinge vor.
Was sind die Folgen der diskordanten Zwillingsschwangerschaften?
Da es in der Plazenta (Mutterkuchen) der eineiigen Zwillinge Verbindungen der Blutgefäße gibt, kann der betroffene Zwilling durch Kreislaufprobleme bzw. Tod den anderen Zwilling gefährden. Zu diesen Komplikationen gehören bleibende Hirnschäden bzw. Tod des gesunden Zwillings in ca. 30% der Fälle.
Wie kann man die diskordanten Zwillingsschwangerschaften erkennen?
Die Organfehlbildungen werden durch eine Ultraschalluntersuchung erkannt. Die Veränderungen des Erbgutes werden mittels Fruchtwasseruntersuchung bzw. Chorionzottenbiopsie festgestellt.
Was können wir Ihnen anbieten?
Um den gesunden Zwilling zu schützen, kann man mittels Laser bzw. Strom die Nabelschnurgefäße des betroffenen Zwillings veröden. Mit diesem Eingriff erreicht man eine Überlebensrate des gesunden Fetus in ca. 80-90% der Fälle.
Was ist eine Zwerchfellhernie?
Das Zwerchfell ist der Muskel, der die Brust vom Bauch trennt. Es liegt eine Zwerchfellhernie vor, wenn dieser Muskel sich nicht vollständig entwickelt, so dass sich Bauchorgane (Magen, Leber, Darm, Milz) in der Brusthöhle befinden.
Die Hälfte der Fälle ist mit Fehlbildungen anderer Organe bzw. Veränderungen des Erbgutes verbunden.
Was sind die Folgen einer Zwerchfellhernie?
Die Lungen werden durch die Bauchorgane zusammengedrückt. Dies führt zu einer Unterentwicklung der Lungen (Lungenhypoplasie). Da ungeborene Kinder den Sauerstoff von der Plazenta (Mutterkuchen) durch die Nabelschnur bekommen, ist das Leben des Fetus, in der Regel, nicht gefährdet. Die Komplikationen treten erst nach der Geburt auf, wenn die Lungen für die Sauerstoffversorgung notwendig sind. Die Neugeborenen zeigen Atemversagen mit Sauerstoffmangel und Kreislaufprobleme. Eine ausgeprägte Unterentwicklung der Lungen kann trotz intensiver Versorgung zum Tod des Neugeborenen führen.
Wie kann man die Zwerchfellhernie erkennen?
Die Zwerchfellhernie wird durch eine Ultraschalluntersuchung erkannt. Es ist wichtig, zusätzliche Fehlbildungen bzw. Veränderungen des Erbgutes (mittels Fruchtwasseruntersuchung) auszuschließen. Auf diese Weise kann man die Überlebensprognose einschätzen. Der wichtigste bestimmende Prognosefaktor ist die Größe der Lungen.
Was können wir Ihnen anbieten?
Die Therapie einer Zwerchfellhernie erfordert ein multidisziplinäres Team (Pränataldiagnostik, fetale Chirurgie, Geburtshilfe, Anästhesie, Pädiatrie, Kinderchirurgie).
In Fällen mit einer geringen Überlebenserwartung ( ≤30%) kann eine vorgeburtliche Therapie in Betracht gezogen werden (um die 30. Schwangerschaftswoche), um die Überlebenschancen zu verbessern. Mit Hilfe einer kleinen Kamera (Fetoskop) kann ein Ballon in die Luftröhre eingebracht werden. Dies verhindert den Ausgang der Flüssigkeit, die von den Lungen gebildet wird, und führt zu einer Entfaltung der Lungen. Das Wachstum der Lungen wird regelmäßig nach der Operation sonographisch geprüft. Der Ballon wird ein paar Wochen später (um die 34. Schwangerschaftswoche) entfernt. Dieser Eingriff erhöht die initial geschätzte Überlebensrate um 30-40%.
Nach der Geburt wird das Neugeborene versorgt und stabilisiert, um die Zwerchfelloperation zu ermöglichen. Einige Neugeborene (ca. 10%) brauchen vorübergehend vor der Operation eine Maschine, die die Lungenfunktion übernimmt/unterstützt (eine so genannte ECMO, extrakorporale Membranoxygenierung).
Was ist eine Megazystis?
Megazystis ist der fachliche Begriff für eine auffällig große Harnblase. In ca. 70% der Fälle sind die Ursachen dafür posteriore Urethralklappen (Klappen im Bereich der Harnröhre, der in der Nähe der Harnblase liegt). Diese Auffälligkeit betrifft nur männliche Feten.
Was sind die Folgen der posterioren Urethralklappen?
Sie führen zu einer Harnabflussstörung mit der daraus folgenden Megazystis und Erweiterung der Harnleiter/Nierenbecken bis zur Nierenfunktionsstörung.
Da das Fruchtwasser dem fetalen Urin entspricht, entwickelt sich eine Oligo/Anhydramnie (zu wenig bzw. fehlendes Fruchtwasser), die zu einer Lungenhypoplasie (Entwicklungsstörung der Lungen) führt.
Wie kann man die Megazystis als Folge posteriorer Urethralklappen erkennen?
Sie wird durch eine Ultraschalluntersuchung erkannt. Der Fetus hat zu wenig Fruchtwasser und eine deutlich vergrößerte Harnblase mit dem typischen “keyhole sign“ (Schlüsselloch-Zeichen), was der erweiterten posterioren (hinteren) Harnröhre entspricht (siehe Bild unten).
Im schweren Fällen kann man eine deutliche Erweiterung der Nierenbecken mit gestörter Nierenentwicklung darstellen.
Was können wir Ihnen anbieten?
- Durchführung einer Harnblasenspiegelung mit Verödung der Harnröhrenklappen mittels Laser. Dies erlaubt den Urinabfluss und verbessert die Fruchtwassermenge, die Lungenentwicklung und die Nierenfunktion. Dieser technisch sehr anspruchsvolle fetale Eingriff wird nur in sorgfältig ausgewählten Fällen durchgeführt.
- Ableitung der Harnblase in die Fruchtblase durch einen Schlauch unter Ultraschallkontrolle
Was ist eine Stenose der Aortenklappe?
Die linke Herzkammer verbindet sich mit der Aorta (Hauptschlagader) durch die Aortenklappe. Unter Aortenklappenstenose versteht man eine Verengung der Hauptschlagaderklappe.
Was sind die Folgen einer Stenose der Aortenklappe?
Nach der Geburt sind der linke Ventrikel (Herzkammer) und die Aorta für die Durchblutung der meisten Organe zuständig. Eine schwere Verengung der Hauptschlagaderklappe kann zu einer Unterentwicklung der linken Herzkammer und der Aorta führen. In diesen Fällen ist eine Herzoperation notwendig. Die für diese Aufgabe nicht geeinigte rechte Herzkammer muss die Versorgung der Organe übernehmen.
Wie kann man eine schwere Aortenklappenstenose erkennen?
Sie wird durch eine Herzultraschalluntersuchung erkannt. Die linke Herzkammer ist erweitert und ihre Bewegung ist deutlich eingeschränkt. Die Durchblutung durch die Aortenklappe ist so auffällig, dass manchmal sogar ein Rückfluss durch den Hauptschlagaderbogen dargestellt werden kann.
Was können wir Ihnen anbieten?
Um die Unterentwicklung der linken Herzkammer zu verhindern, können wir während der Schwangerschaft die Hauptschlagaderklappe mit einem Ballon erweitern (Valvuloplastie). Dieser Eingriff ist nur möglich unter bestimmten Vorraussetzungen (kritische Aortenstenose).
Die Durchführung einer Valvuloplastie benötigt die Zusammenarbeit verschiedener Fachdisziplinen. Wir haben diesbezüglich eine Kooperation mit Experten des Deutschen Herzzentrums München abgeschlossen.
Was ist eine fetale Anämie?
Anämie ist der fachliche Begriff für Blutarmut. Sie entspricht einem Mangel an Erythrozyten (rote Blutkörperchen). Die häufigsten Ursachen einer fetalen Anämie sind: verschiedene Blutgruppen zwischen der Mutter und dem Fetus (Mutter Rhesus negativ, Fetus Rhesus positiv) und Infektionen, insbesondere Ringelröteln.
Was sind die Folgen einer fetalen Anämie?
Die Erythrozyten versorgen die Organe mit Sauerstoff. Eine lang dauernde Unterversorgung kann zu einer lebensbedrohlichen Kreislaufstörung führen.
Wie kann man eine fetale Anämie erkennen?
Sie wird durch eine Ultraschalluntersuchung erkannt, in der die Geschwindigkeit eines Gehirngefäßes (Arteria cerebri media) bestimmt wird. Im schweren Fällen kann eine Ansammlung von Flüssigkeit in verschiedenen Körperhöhlen auftreten (Hydrops). Dies führt zu einer hohen Sterblichkeitsrate.
Was können wir Ihnen anbieten?
Eine fetale Blutübertragung während der Schwangerschaft kann die Folgen einer Blutarmut vermeiden und die Überlebenschancen deutlich verbessern.
Der Eingriff wird Ultraschall gesteuert durchgeführt und benötigt gute Erfahrung mit invasiven Eingriffen. In Expertenhänden erreicht man sehr gute Ergebnisse.